Deismus als Philosophie der weltlichen Logen

Deismus als Philosophie der weltlichen Logen

Der Deismus sagt, Gott sei das „Universum“ (=die Gesamtheit der Materie). Wenn Licht
die Gesamtheit aller Materie ist, dann ist Licht nichts anderes als ein abstraktes Prinzip,
das   Schatten   erzeugt.   Das   heisst   der   Schatten   wird   als   die  eigentliche   Wirklichkeit betrachtet;  es gibt keine Wirklichkeit  jenseits der Schatten. Genauso gibt  es für den Deismus keinen übernatürlichen Gott, der sich offenbaren kann und der innerhalb seiner Schöpfung erscheinen kann. Wie bereits erwähnt, akzeptieren die Vertreter des Deismus daher keine übernatürliche Religion. Für sie gibt es nur die „natürliche“ Religion, und was „natürlich“ ist, entscheiden sie selbst mit ihrer Vernunft und Logik. Ein anderer Begriff für diese   Art   von   „natürlicher   Religion“   ist   Humanismus,   der   nichts   anderes   ist   als   eine weltliche Ethik. Was „ethisch“ ist, entscheiden wiederum die Deisten selbst mit ihrem „Rationalismus“.
Die „natürliche“ Religion, die auf eine einseitige Weise nur mit Logik konstruiert wird, führt zu einem materialistischen Verständnis von Ganzheitlichkeit. Ein solches Weltbild klingt allumfassend, aber es vernebelt gerade dadurch die Unterscheidungskraft des Menschen: Alles   sei Teil  derselben   einheitlichen   Wirklichkeit,   weshalb  nichts   ausgegrenzt  werden dürfe, nicht einmal der Satan: „Die Verehrung, die dem Baumeister zukommt, wird auf seine gesamte Schöpfung ausgedehnt, also auch auf den Satan als Geschöpf, das an der universalen Wirklichkeit teilhat.“
Dieses Zitat, das die weiterführende Konsequenz des Deismus verrät, stammt aus dem
Buch Wir klagen an – Zwanzig römische Prälaten über die dunklen Seiten des Vatikans , S. 267 (Berlin 2000). Es wurde von einer Gruppe Vatikan-Prälaten anonym veröffentlicht, die sich „I Millenari“ nennen.  Wir klagen an  (orig.  Via col vento nel Vaticano, „Vom Winde verweht im Vatikan“) war im Jahr 1999 in Italien der „Bestseller des Jahres“ und wurde in vielen   Sprachen   übersetzt.   Vor   einem   internationalen   Millionenpublikum   wollten   „I Millenari“ auf die Mißstände in der eigenen Kirche hinweisen. Dabei erwähnten sie unter anderem auch, dass der Vatikan bis in die höchsten Ränge von freimaurerischen Geistlichen durchdrungen ist:
Die Freimaurerei ist von Deismus und Rationalismus beeinflusst und ist auf ihre eigene
Weise religiös. Sie gesteht die Existenz eines großen Baumeisters des Universums zu, den jeder Anhänger des Ordens nach seinem Gutdünken bezeichnen kann. Es gibt nur diesen einen Erbauer, der die gesamte im Universum vorhandene Wirklichkeit geschaffen hat. [… ein] Glaube, der sich mit seinen Riten und Gebeten an die große universale Wirklichkeit wendet und diese verherrlicht. […] Für die Freimaurer, die Freidenker sind, wird ein Teil dieser Wirklichkeit auch vom Satan bestimmt, daher kann man ihn nicht ausgrenzen. Die Verehrung, die dem Baumeister zukommt, wird auf seine gesamte Schöpfung ausgedehnt, also auch auf den Satan als Geschöpf, das an der universalen Wirklichkeit teilhat. (S.267)
Die „Millenari“ sind anscheinend keine Freimaurer. Sie überschreiben das Kapitel, dem
diese Zitate entstammen, mit dem Titel  „Satansrauch im Vatikan“. Das oben zitierte
Plädoyer für Satan als ein Teil der „universalen Wirklichkeit“, die als Gott verehrt wird,
stammt  –   laut  Angaben   der   „Millenari“   –  von   führenden   Vertretern   des   Kirchentums. Würde diese Weltsicht stimmen, müsste man sich fragen, was Jesus meinte, als er sagte „Weiche von  mir, Satan!“ Mit  der angeführten  philosophischen  Scheinlogik  verrät der negative Deismus, dass er die „große universale Wirklichkeit, mit der Gesamtheit aller Materie gleichsetzt und alle Wesen als ein Produkt der neutralen Materie betrachtet. Wenn dem so wäre, müsste Satan tatsächlich ebenso verehrt werden, wie alles andere auch, da man   sonst   nicht   „ganzheitlich“   wäre.   Ähnliche   Ansichten   finden   sich   in   gewissen Strömungen des Buddhismus und der modernen Esoterik.So stellt sich auch hier die Frage: Ist die Wirklichkeit nur „universal“, d.h. nur materiell?
Der Deismus ist also tatsächlich – im philosophischen Sinn – materialistisch, wenn auch „ganzheitlich-materialistisch“. Diejenigen, die sagen: „Das Universum ist Gott“, müssen sich fragen, ob sie zusammen mit diesem „Gott“ auch Satan verehren wollen, denn der deistische Gott ist eine „große universale Wirklichkeit“, die nichts ausgrenzt.

Armin Risi, Licht wirft keinen Schatten, Seite 92-93