Das Wort (1974, S.55) – Entrückung

Der folgende Text ist zitiert aus der Zeitschrift Das Wort (1974, S.55)

RaptureR.V. in K. Ihre Anfrage betrifft die Entrückung gem. 1. Thess. 4, 13 ff. Sie schreiben, aus ihrer Jugendzeit kommen sie aus Darbisten-, später Baptistenkreisen, in denen die Betrachtung des Begriffs „Entrückung“ immer eine große Rolle spielte. Man ist der Meinung, dass mit der Entrückung die Menschheitsgeschichte praktisch zu Ende sei.

Was sagen nun hierüber die Lorberwerke aus?

Antwort: Die Lorberwerke künden viel von der Wiederkunft Jesu Christi, auch von seinem Kommen in den Wolken des Himmels, doch von einer Entrückung „ihm entgegen auf den Wolken in die Luft“, wie es Paulus [in] 1. Thess. 4, 13 ff. verheißt, wissen sie nichts. Es ist wohl einmal von einer Entrückung die Rede (Gr. Ev. X 156, 5), die aber erst bei dem letzten Feuergericht am Ende des 1000jährigen Reiches stattfinden soll, von dem [in] Offenb. 20,9 die Rede ist. Hören wir nun, was Paulus über die Entrückung 1. Thess. 4, 13 ff. schreibt:

(Im Original ist hier die Menge Übersetzung zitiert, ich zitiere die Bibelstelle aus der Schlachter 2000, Anm. d. Verf.)

13 Ich will euch aber, Brüder, nicht in Unwissenheit lassen über die Entschlafenen, damit ihr nicht traurig seid wie die anderen, die keine Hoffnung haben. 14 Denn wenn wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die Entschlafenen durch Jesus mit ihm führen. 15 Denn das sagen wir euch in einem Wort des Herrn: Wir, die wir leben und bis zur Wiederkunft des Herrn übrigbleiben, werden den Entschlafenen nicht zuvorkommen; 16 denn der Herr selbst wird, wenn der Befehl ergeht und die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallt, vom Himmel herabkommen, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen. 17 Danach werden wir, die wir leben und übrigbleiben, zusammen mit ihnen entrückt werden in Wolken, zur Begegnung mit dem Herrn, in die Luft, und so werden wir bei dem Herrn sein allezeit.

Paulus macht diese Voraussage auf Grund eines Wortes des Herrn. Es ist aber ein solches Herrenwort zu dieser Frage nicht überliefert, sodass er möglicherweise auf eine persönliche Offenbarung Bezug nimmt. Ferner hat man den bestimmten Eindruck, dass Paulus die Hoffnung beseelte, er dürfe die Auferstehung der Gläubigen bei der Wiederkunft Jesu und die Entrükkung noch selbst miterleben. Die Verbreitung solcher Hoffnungen im ersten Jahrhundert, die oft die Frage wachriefen, weshalb der Herr noch immer nicht komme, ist wohl aus der damaligen Endzeiterwartung erklärlich (1. Kor. 15, 51 ff.; 2. Thess. 1, 7; 1. Petr. 1, 13; 5, 4; Hebr. 10, 37).

Pfarrer O. Feuerstein schreibt in seinem aufschlußreichen Büchlein Die Auferstehung des Fleisches:

Gott hat diese irrige Erwartung zugelassen, weil sie damals dazu beitrug, dass die Christenheit wach blieb in Erwartung ihres Herrn und Vaters. In allen Jahrhunderten war seither diese Naherwartung der Wiederkunft des Herrn lebendig. Es waren immer die eifrigsten und ernstesten Christen, die meinten, die Wiederkunft Christi sei jetzt unmittelbar nahe. Paulus hat sich übrigens später korrigiert. Er kam gegen Schluss seines Lebens zur Erkenntnis, dass er noch vor der Wiederkunft Christi sterben werde. Er schreibt deswegen an die Korinther (2. Kor. 5, 8), er habe jetzt Lust, aus dem Leibe auszuwandern und gegenwärtig bei dem Herrn zu sein. Wie Paulus „Lust hatte abzuscheiden, um bei Christus zu sein“ (Phil. 1, 23), oder wie er (2. Kor. 5, 8) glaubt, dass er bei seiner Auswanderung aus dem Leib „gegenwärtig beim Herrn ist“, so musste er dies auch von seinen im Glauben an den Herrn gestorbenen Gemeindegliedern erwarten. Konnte er da wohl noch glauben, dass sie bei einer der Zukunft vorbehaltenen Wiederkunft Jesu wieder in ihren verwesten Leichnamen als Entschlafene aus dem Grabe auferstehen und verwandelt dem Herrn entgegengerückt werden in die Luft, um bei ihm zu sein, nachdem sie schon als Verwandelte – „als aus dem Leib ausgewanderte“ – bewusst fortlebende Geistpersonen beim Herrn waren?

Wenn wir wissen, dass der Mensch nach dem Tode weiterlebt, je nach dem Zustand seiner Liebe und seiner Werke, so werden wir uns doch fragen müssen, was es mit der Auferstehung der in den Gräbern Liegenden bei der Wiederkunft Jesu in den Wolken des Himmels, bei der Stimme des Erzengels, beim Schall der Posaunen für eine Bewandtnis hat.

Wie die Wiederkunft Jesu eine geistige sein wird, so sind auch die damit zusammenhängenden Beschreibungen geistige Entsprechungsbilder. In der materiellen Welt muss alles umhüllt sein, damit das innerste Göttliche nicht verunreinigt werden kann. So ist auch das göttliche Wort durch den Buchstabensinn wie in eine Wolke eingehüllt, in welcher der innere und himmlische Sinn oder die Herrlichkeit des Herrn verborgen ist. Schon im alten Testament verstand man unter der Wolke die Gegenwart des Herrn. Sie bedeckte das Bundeszelt, die Herrlichkeit des Herrn erfüllte die Hütte des Stifts, weil – die Wolke sich darauf niedergelassen hatte (2. Mose 16, 10; 34, 5; 40, 34-38).

Will der Herr uns rein Geistiges verkünden, so kann Er das nur mittels des äußeren Wortes auf dem Wege gleichnishafter Entsprechungsbilder. So sind unter den Engeln mit den Posaunen große göttliche Offenbarungen zu verstehen, die das Gotteswort der Bibel wieder neu erschließen, wodurch die im Geiste tot gemachten Menschen gleichsam aus den Gräbern ihrer Nacht erweckt und dem Herrn geistig entgegengerückt werden.

„In der Zeit der Drangsal wird nach Matth. 24, 29 ff. die Sonne (der Gottesgeist der Liebe und Gnade) sich verfinstern und der Mond (das Verstandeslicht) dadurch seinen Schein verlieren. Die Sterne (alte Erkenntnisse) werden vom Himmel fallen (zunichte werden) und die Kräfte der Himmel (alle göttlichen Kräfte in der Welt) werden in Erschütterung geraten. Dann aber wird das Zeichen des Menschensohnes (das Kreuz als Zeichen der aufopfernden Liebe) am Himmel (vor dem Geist des Menschen) erscheinen. Alle Weltvölker werden wehklagen und den Menschensohn in den Wolken des Himmels (neuen Offenbarungen) mit großer Macht und Herrlichkeit kommen sehen“ (Grdfr. S. 551).

Luk. 17, 31 ff. hören wir noch: „Wer auf dem Dache ist, steige nicht hernieder (wer ein wahres Verständnis hat, bleibe in demselben). Wer auf dem Felde (der Erkenntnisfreiheit) sich befindet, wende sich nicht nach alten Truglehren um. Wo zwei in einer Mühle mahlen (das gleiche tun), in einem Bette schlafen (das gleiche Glaubensbekenntnis haben), wird der wahre Glaube in der Tat angenommen, der andere nicht“ (IX 70).

So wird Jesus in seiner urgöttlichen Persönlichkeit auch niemand richten. Das Gericht bereiten sich die Menschen selbst in ihrem Verhalten dem göttlichen Wort gegenüber. „Wer meine Worte hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen. Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Es kommt die Stunde und sie ist schon jetzt, dass die Toten werden die Stimme des Sohnes Gottes hören und die sie hören werden, werden leben“ (Joh. 5, 24 u. 25).

Die Lorberschriften wissen jedoch auch von einer leiblichen Wiederkunft Jesu. Dabei wird Er aber nicht mehr in einem von einem Weibe gebildeten Fleischleib wiederkommen, sondern in seinem verklärten Geistleib. „Dieser Leib bleibt verklärt, so wie ich als Gott von Ewigkeit, und so benötige ich nimmerdar eines zweiten Leibes“ (IX 94, 2). Wenn ein großer Teil der Menschen Ihn in den Wolken des Himmels, in seinem göttlichen Wort erkannt und erlebt haben wird: „Dann werde Ich auch hie und da persönlich und leibhaftig sichtbar (im verklärten Geistleib) zu denen kommen, die Mich am meisten lieben und nach Meiner Wiederkunft die größte Sehnsucht und dafür auch den vollen und lebendigen Glauben haben werden“.

Und zur letzten Frage: Wie wird das Endgericht für die Sünder, die Ungläubigen, die geistig Toten, für die, welche überhaupt keine Christen sind, aussehen? Wie sieht, abgesehen von dem irdischen Gericht, das sich die Menschen selbst bereiten, bei denen das göttliche Gericht aus?

Da gibt uns Paulus eine wunderbare Schau des göttlichen Heilsplans, der sehr zum Nachdenken anregt: „Gott hat die ganze Menschheit in Ungehorsam fallen lassen, um Erbarmen an allen zu üben. O welch eine unermeßliche Größe der Gnadenfülle, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes. Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege. Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Wer hat ihm zuvor etwas gegeben, wofür ihm Vergeltung zuteil werden müßte? Ja, von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.“ (Röm. 11, 32-36 Menge.)

He. Z.